leben. und so.

Die Nächte hier sind ruhig, begleitet vom ambitionierten Gesang der Grillen, durchbrochen, mancchmal, von den sonderbaren Schreien der hier ansässigen Vögel, merkwürdige Wesen mit ernsten Gesichtszügen, wie Totengräber oder Finanzbeamte. Ein Schrei, den man schlecht vergleichen kann, wie eine komische Mischung aus Befehl und Wehklagen. Vielleicht fressen sie Aas, vielleicht Blumen. There's no telling.
Ich wache auf, weil "Mütze" auf meiner Brust sitzt und mich aufmerksam betrachtet oder sich schnurrend und Krallen-intensiv auf meinem Hals niederlässt.

the mighty Muetze

Er ist ein freundlicher, sensibler Kater, der nachts geräuschlos durch mein Fenster einsteigt, dessen liebster Schlafplatz - neben meinem Körper - das zweite Kopfkissen ist. Sein Gesicht, sein Schnurren begrüßt mich am Morgen, und manchmal seine raue Zunge an meiner Nasenspitze. Er ist ein guter Jäger, geräuschlos, schnell und geschickt, fängt Vögel, Käfer, Eidechsen mit behänder Mühelosigkeit.

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Ich stolpere ins Bad und stelle mir die mikroskopischen Reste toter Maus auf meiner Nase vor, während ich mir die Zähne putze und durch müde Augen und Ohren die Geschäftigkeit im Hof und in der Küche wahrnehme.

Ich weiß nicht, ob ich in 3 Wochen auch nur einen Tag allein gefrühstückt habe - dabei erschien mir das irgendwann einmal undenkbar, dieser soziale Overkill am Morgen. Und doch: Es ist schön, ein Haus mit rund 10 anderen zu teilen. Wenig bleibt verborgen, manchmal ist es schwierig oder anstrengend, aber es ist leben da, und etwas, zu dem man nach Hause kommt, auch oder gerade nach einem schlechten Tag.

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Es gibt Weißbrot, wie in eigentlich jedem Land, das nicht Deutschland ist. Immer nur Weißbrot oder eines seiner verschlagenen Geschwister, die von außen vorgeben, Vollkornbrot zu sein. Kurz gesagt: Es ist eine bessere Pappe, die sich zumindest zum Auflegen von Käse eignet. Damit reicht es vorerst mit der Nörgelei.

Ich werfe mir ein T-Shirt über und laufe zur Hauptstraße Beyers Naude, die nur einige Meter vom Haus entfernt ist. Hier gibt es eine Bushaltestelle, an der ich noch nie einen Bus habe halten sehen. Ganz allgemein ist das Bussystem in Joburg bislang noch weitgehend undurchsichtig für mich. Immer wieder, am Straßenrand, gibt es diese leicht verfallenen, blechernen Bushaltestellen, die verwaist wirken, während an vollkommen unscheinbaren Bürgersteigabschnitten auf Busse gewartet wird und es eine Art stillschweigendes Abkommen zwischen MInibus-Nutzern und -Fahrern zu geben scheint, an welchen Stellen bevorzugt Passagiere aufgesammelt werden.

Zur Arbeit muss ich in Richtung Stadt fahren, was man mit Hilfe des entsprechenden Handzeichens zu erkennen geben muss. Es gibt so etwas wie feste Minibusrouten, für jede von ihnen gibt es ein Handzeichen, das aus einer bestimmten Anzahl von hochgehaltenen Fingern besteht: Finger nach oben bedeutet in Richtung Stadt, nach unten in Richtung Vororte. In diesem Fall muss ich einen Finger hochhalten, was regelmäßig dazu führt, dass ich den Eindruck habe, jemanden zu ermahnen oder auszusehen, als wäre mir grade eine entscheidende Idee gekommen. Meine südafrikanische Freundin Precious jedenfalls sieht wesentlich lässiger aus, wenn sie einen Minibus anhält.

Die nächste, wichtige Lektion bei der Minibusbenutzung ist das grundsätzliche Ausstrahlen einer gewissen Genervtheit. Es scheint sonderbar genug für den durchschnittlichen Minibusfahrer und den durchschnittlichen Passagier, dass eine Weiße das "schwarze Taxi" benutzt. Für noch mehr Irritation sorgt ein freundliches Lächeln oder gar eine Begrüßungsformel, besser: indifferent schauend und lässig einsteigen, rostige Schiebetür zuknallen und wortlos einen Schein nach vorne durchreichen. Für Feinde der Mathematik empfiehlt es sich nicht, vorne beim Fahrer einzusteigen, denn der Beifahrer wird stillschweigend zum Kassenwart, der Geld annehmen und Wechselgeld nach hinten durchreichen muss - eine teils verwirrende Aufgabe, die den Respekt für Ortskundige rasch ansteigen lässt, die offenbar mühelos den Überblick über die Passagiere, deren Geld und die Anzahl der Mitfahrer, für die sie bezahlen, behalten.

Die Minibusse sind oft mehr oder minder rostige Autos, die den Eindruck vermitteln, nur mehr vom Motor zusammen gehalten zu werden. Das hält den ein oder anderen Fahrer keineswegs von einer großzügigen Auslegung der Straßenverkehrordnung ab, weswegen Taxifahrten mitunter von der Polizei gestoppt werden und man häufiger einen leeren Bus, ein Polizeiauto und eine Gruppe Wartender am Straßenrand stehen sehen kann.

Angekommen laufe ich an einer gigantischen Baustelle vorbei, an der Arbeiter auch in der Mittagshitze unermüdlich in der roten Erde graben. Eine kleine Reihe Shops und ein immer während qualmender Grill (Braai), dessen Rauch mir jeden Morgen aufs Neue die Tränen in die Augen treibt und ungehindert in das dahinter liegende Geschäft hereinzieht, säumen den Weg zu der Nebenstraße, in die ich einbiegen muss. Vorbei an zahlreichen Wachmännern, die gelangweilt in der bereits um 10 einsetzenden Hitze herum stehen, kleinen Geschäften, einem Schuhputzer und einer Frittenbude geht es zum Büro.

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Soweto ist eine große Schwarzensiedlung, ganz in der Nähe von Joburg. Ich hielt es anfangs für eine Stadt, wurde aber von meinem südafrikanischen Kollegen darüber aufgeklärt, das Soweto tatsächlich eine Abkürzung ist für South-Western-Townships. Natürlich sind die Townships Überbleibsel des Apartheidsregimes, die einzelnen Bezirke unterscheiden sich stark - manche Gegenden sind sehr arm, in anderen ist die Annahme, es handele sich um eine gefährliche Gegend , überhaupt nicht nachvollziehbar. In Orlando etwa gibt es Touristen zuhauf, die vom Mandela-Haus und anderen Sehenswürdigkeitren angezogen werden.

Letzte Woche war in Joburg das Mozart-Festival, das unter anderem Musiker aus den Townships mit einbezieht. Ein Projekt, das hier vertreten war, ist das Melodi Project - ein Orchester bestehend aus Kindern und Jugendlichen aus den Townships. Bemerkenswert auch deshalb, weil Klassik traditionellerweise als Musik der Weißen gilt.
Das Projekt ist auch deshalb bemerkenswert, weil die schlechte Infrastruktur der Townships mit mangelnden Angeboten für Jugendliche viele frustriert, die Mädchen sind größtenteils unbeschäftigt, die Jungs spielen Fußball und träumen von großen Sportlerkarrieren. Ein Instrument zu lernen ist außergewöhnlich, die Älteren bringen den Jüngeren das Flötespielen bei, später wechseln sie zu anderen Instrumenten.

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Beim Konzert in einer kleinen Kirche in Soweto fiel mir die ausgelassene Stimmung auf, ungezwungen, standing ovations. Mütter mit kleinen Kindern, über die sich niemand aufregte , ein aufgeregt mitklatschendes, begeistertes Publikum... Ein angenehmer Kontrast zur deutschen Disziplin, Stille und allgemeinen Steifheit.

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Letzten Sonntag fuhren wir raus in einen kleinen Ort in der Nähe von Pretoria. Schon morgens trieb mir die drückende, schwüle Luft den Schweiß auf die Stirn. Über einen Feldweg voller Schlaglöcher ging es rauf auf den Berg, verwildert, grün, strahlend bunte Blumen und wohltuende Stille. Der alternative Gottesdienst war meine Sache nicht, wenn auch eine interessante Erfahrung, also schlich ich mich raus aus der runden Kuppel, raus in die Sonne, wo ich mit atemberaubendem Blick über die Berge und den Stausee im Tal die Ruhe genießen konnte.

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Den ganzen Tag draußen zu sein, im Gras zu liegen, reden und picknicken und dösen, Trampelpafde erkunden - merkwürdig wie die simpelsten Dinge manchmal die schönsten sind.

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Später ging es mit dem Auto zum Stausee, wo sich ein kleiner Wasserfall ins Tal ergießt und sich der Fluss durch sattes Grün windet. Mein Gesicht hatte in der Zwischenzeit eine tomatenhaft-fleischige Färbung angenommen, was den Genuss, draußen zu sein und spazieren zu gehen nicht schmälerte, meine Chefin allerdings zwei tage später zu dem nüchternen Kommentar anhielt, das mit der Sonne hätte ich wohl immer noch nicht gelernt...

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Nora reist

6 Monate Indien + 2 Monate Südafrika

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