Dienstag, 15. Mai 2007

Etappe No. 9

Kleine Sinnkrise nach Ankunft in Dharamsala. Zwar laechelt der Dalai Lama gnaedig und verschmitzt von Plakaten und ich bin unmittelbar in alle Tibetaner verknallt (schon vom Taxi aus bleibt mir die Spucke weg, soviel Anmut, so feine Gesichtszuege), aber der Zustand meiner Toilette laesst weniger auf Green Hotel als auf Brown Hotel schliessen. Waehrend mir der nicht vorhandene Mageninhalt hochkommt, renne ich wuergend aus dem Zimmer und versuche nicht zu ueberlegen, welcher Natur wohl all die lockigen schwazen Haare auf dem Badezimmerboden sein moegen. Die Luftfeuchtigkeit und Enge einer 11stuendigen Busfahrt scheint mir jedesmal aufs Neue zu entgleiten, bis zum naechsten Mal.
Dann die Fragen, warum mache ich das eigentlich? Bin ich uebergeschnappt? Ich koennte jetzt Kiba im Habanero schluerfen und im See herumpaddeln, nur 20 % meiner Umgebung misstrauen und es mir gemuetlich machen. Fragen, die nicht immer zu beantworten sind.
Aber vielleicht morgen wieder.

Montag, 14. Mai 2007

Auf dem Weg der Erleuchtung

Nachts, Old Delhi trainstation

Tausende und Abertausende von Menschen wuseln in einem unuebersichtlichen Wust durch ein Labyrinth aus Bahnsteigen, Anzeigetafeln und Safthaendlern. Oralen Exkrementen ausweichend, die von allen Seiten auf den betonierten Boden klatschen, bahne ich mir meinen Weg durch die Massen. Eine dreiviertel Stunde verbringe ich damit, mein Abteil zu suchen, da mir zahlreiche Menschen, eager to help, den Weg in unterschiedliche Richtungen weisen. 10min vor Abfahrt bin scheissueberstroemt etwas nervoes geworden, waehrend mir ein Inder im falschen Abteil den Weg verstellt, auf Hindi auf mich einredet und ohne ein Wort Englisch ueberzeugt ist, mir helfen zu koennen. Nach mehrern Rugby verwandten Ausweichversuchen, die von seinem kugelrunden Bauch abgefedert werden, sehe ich keinen Ausweg als ihn beiseite zu stossen und aus dem Zug zu springen um zum naechsten Abteil zu sprinten. Schliesslich und endlich komme ich an und sehe mich mit dem amuesierten Kommentar eines mitreisenden Oesterreichers konfrontiert, ich sehe aus, als kaeme ich gerade von einer Wuestensafari.

7 Uhr morgens, Haridwar

Der Oesterreicher, Walter, und ich verlassen den Bahnhof und befinden uns unmittelbar im Auge eines Sandsturms, der nahestehende Baeume entwurzelt und mir die Traenen in die Augen treibt. Wir fleuchten in ein kleines Restaurant und beobachten fasziniert, wie sich der Himmel verdunkelt als sei es finstere nacht und ein unbarmherziges Gewitter sie Strassen peitscht. Die Inder amuesieren sich koestlich.

Desorientiert schlurfen wir durch anhaltenden Nieselregen, werden ziemlich nass und muessen uns schliesslich eingestehen, dass wir exakt in die falsche Richtung gelaufen sind. 20min und akute Rueckenschmerzen spaeter finden wir ein Hotel, dann noch eins und noch ein drittes. Nichts reisst uns vom Hocker, die Preise sind horrend und Haridwar scheint ausser dem Ursprung des ganges nicht viel zu bieten zu haben. Wir fahren nach Rishikesh.

ca 10 Uhr, Rishikesh

Ein schoener und wesentlich freundlicherer Ort. Steile Strassen, Berghaenge, der Ganges, unzaehlbare Sadhus und eine Menge Affen (und sonderbar anmutende Touristen).

Wir schlendern durch die Strassen, lassen uns anbetteln.
Nachts wache ich auf, weil ich solche Bauchschmerzen habe. Mir ist kotzuebel, ich kann vor Kraempfen kaum stehen. Den naechsten Tag verbringe ich lesend udn schlafend.
Womit beschaeftigt man sich in Rishikesh? Yoga, Meditationskurse und Gras, wie mir scheint. Wir fahren weiter und nehmen in Dehra Dun Abschied.

Ich fahre nach Chandigarh und werde von den Menschen im Bus auf angenehme Art und Weise ignoriert.

Chandigarh, ca 18.00Uhr

Die Stadt ueberzeugt mich nicht. Die Hotelzimmer sind eine Katastrophe, dreckig, heruntergekommen, unpersoenlich, teuer. Ich fahre weiter nach Shimla.

Shimla, ca 22.45Uhr

Kaum ausgestiegen bestuermt mich eine Horde wildgewordener Traeger, die mein Gepaeck die steilen Strassen hinauf befoerden wollen, zum Hotel. Ich wehre ab und schnaufe allein und fluchend moerderische Haenge hinauf. Angeregt die Karte studierend hoffe ich nur, bald das Hotel zu finden. Ich habe seit mehr als 12h nichts gegessen, bin eben so lang Bus gefahren und sehne mich nach einem warmen Bett, denn hier ist es empfindlich kuehl.

Ich und mein Lonely Planet laufen also durch die Strassen, wo mich ploetzlich zwei dort herumlungernde Polizisten anhalten, meinen Namen wissen wollen, meinen Pass sehen wollen etc etc. Der Dicke, der offensichtlich der Chef ist, starrt etwa eine halbe Stunde in meinen Pass, spricht kein Wort englisch, laesst mich aber nicht gehen. Er behauptet, das sei kein Pass, er wolle ID sehen, baut sich ungefaehr 10cm vor mir auf und geniesst sich offensichtlich sehr in der Rolle. Der andere lacht nur amuesiert. Meine wiederholten Fragen, was das alles solle, finden kein Gehoer. Meinen Pass haelt der Dicke fest wie einen Goldbarren und ich schlucke die aufkommenden Traenen und bleibe tiefdurchatmend sitzen. Alle, die vorbei kommen, beeilen sich, weiterzukommen und behaupten einhellig, sie spraechen kein Englisch. Der Dicke amuesiert sich praechtig, ich rufe meine Mutter fuer emotionale Unterstuetzung an. Mehr Polizisten tauchen auf und stehen ebenso bescheuert herum ohen irgendetwas zu tun, lassen mich aber auch nciht gehen. Sukhesh ruft an belabert die Bullen, ich sei seine Frau und sie sollten mich gehen lassen etc etc. Die Polizisten behaupten, ich wuesst den Namen meinen Hotels nicht, waehrend ich Ihnen den Namen ins Gesicht schreie, ich sei verdaechtig und das muesste untersucht werden und koennte kosten. Sie lassen mich nciht gehen mit der Begruendung, es sei nach 23.30 und da duerfte ich nicht emhr allein herumlaufen. Eine weitere halbe Stunde vergeht. Weieer darf ich nciht gehen, angeblich weil eine weibliche Kollegin herbeigeholt werden muss, die mich zum Hotel begleiten soll. Noch eine halbe Stunde spaeter kommen zwei weitere Polizisten, ein Mann und eine Frau im Jogginganzug, die ebenfalls kein nglkisch sprechen, ebnfalls dumm rumstehene und ich darf immernoch nicht gehen. Am Ende laeuft nur der Dicke mit mir durch die Gassen, (nicht ohne unterwegs nach meiner Hand zu grapschen und mir im Gesicht herumzufummeln) verlaeuft sich merhmals und bringt mich aus unerfindlichen Gruenden zum Polizeirevier, wo ein freundlicher Officer undgestoert telefoniert und ich eine weitere Viertelstunde herumsitze bis er mich fragt, was denn mein Problem sei und warum ich mir nicht ein Hotel suchte und mich dann mit einer Hoteladresse allein losschickt.
Es ist kurz vor eins, als ich mich durch menschenleere Strassen schleppe. Alles ist selbstverstaendlich geschlossen. nach 5min ist der Dicke wieder da und haemmert an Hoteltueren. ich bekomme ein Zimmer fuer 20Euro die Nacht, vielzuviel fuer mein Budget, aber nicht den Namen des Polizisten. Die Botschaft ist informiert und alle atmen auf, als ich sicher in meinem Zimmer angekommen bin. Eva nennt die indische Polizei potentille Vergewaltiger und mich ein Opfer von Willkuer und Langeweile.
Am naechsten Tag bekniet mich alles, zurueck nach Delhi zu fahren, aber ich will nicht. Wenn ich jetzt Angst habe und das zulasse, werde ich immer Angst haben. ich bleibe.

Nachmittags entdecke ich, wie schoen die Stadt ist, finde das Hotel, in das ich urspruenglich wollte, bestaune die Massen an indischen Touristen, die Zuckerwatte essen und durch die Strassen schlendern. Die Haenge sind so steil, es scheint immer und ausschliesslich bergauf zu gehen, bei jedem Schritt sticht das Herz schmerzhaft. Ich wandere ca 15km mit einem netten Englaender, bestaune das dekandete Regierungsgebaeude, dass die Briten hier erbaut haben und fuehle mich wohl.

Am naechsten Tag werde ich beim Kaffee trinken von einem Astrologen, Yogalehrer, Meditationslehrer (...) angesprochen, der aus meiner Hand die Doppelvenus ersieht, meine Aura bewundert und von mir als einem vollkommenen Wesen mit unterdruecktem Selbst spricht, dass sich unnoetig selbstkasteit und niedermacht, obwohl es unglaublich stark ist. Er entschuldigt sich fuer die Unterbrechung meiner Lektuere, aber sein Gott habe ihne beauftragt mit mir zu sprechen und es sei wichtig. Wir treffen uns nachmittags erneut und er erlaeutert mir, dass er meine Spannungen aufloesen will und den Energiefluss zwischen mind und heart wieder herstellen will. Ich sei zu 80% positiv und zu 20 % negativ, aber der negative Teil sei so stark, dass er den anderen unterdruecke.
Bei einem weiteren Gespraech am Abend werde ich ploetzlich ungemein wuetend, seziere ihn verbal und aergere mich masslos ueber die Wiederholungen von Phrasen, die ich schon in seinem Touristenbuch gelesen habe, Dinge die er schon anderen Mnschen im exakt gleichen Wortlaut erzaehlt hat und die diese dankbar wiedergeben. Er scheint das alles, trotz seiner sagenhaften Verbindung mit mir, nicht zu kapieren und wirkt hilflos, und das obwohl er mir selbst noch sagte, mein Gedaechtnis sei fotografisch.

Nun bin ich immer noch in Shimla und bin unsicher, was ich als naechstes mit mir anfangen will. Dharamsala. Vielleicht.

Dienstag, 8. Mai 2007

...

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03.05.07

Bei mehr als 45 Grad schleife ich mich und meine ca 12kg Gepäck durch Pushkars Gassen. Eine unbarmherzige Sonne brennt vom Himmel, die Straßen sind beinahe menschenleer. Ich bin der einzige Gast in dem Hotel, in dem ich ein karges Zimmer beziehe - nur glücklich keinen Schritt mehr tun zu müssen.
Am nächsten Tag bliebe ich 4h lang in einem Restaurant kleben. Ab 11 steigen die Temperaturen kontinuuierlich, ab 1 kann man keinen Schritt mehr ins Freie wagen. Nicht einmal die sonst so aufdringlichen Priester versuchen, eine Spende zu erpressen.
Der Besitzer meines Hotels, gesprächig und freundlich, eröffnet mir, dass er und seine Söhne morgen nach Rishikesh fahren werden, weil es dort nicht so heiß ist.
Mir fehlen die Worte.

05.05.07

Ich gebe auf.
Im Bus nach Jaipur, wartend auf die Abfahrt.

Während ein Rajasthani in einem bemerkenswerten Singsang die Vorteile eines manuellem Limettenentsafters demonstriert, läuft mir der Schweiß in die Augen. Um zehn war ich durch Pushkars Straßen getrottet, nachdem mir ein Kellner nach eingängigen Fragen nach meinem potentiellen husband beim Händeschütteln fast die Hand gebrochen hat.
Der Bus nach Ajmer ist zum Bersten voll und wie immer ergattere ich einen Platz neben dem Fahrer - und somit halb auf dem Motor.
Während meine Zehen braten und ich mein brennendes Gesicht ignoriere, schlängelt sich der Bus durch serpentinenreiche, leidlich asphaltierte Straßen. Gerade als ich über Busunfälle nachdenke, die sich hier - so meine ich gehört zu haben - desöfteren ereignen, taucht ein verbeultes, leeres Exemplar hinter der nächsten Kurve auf, das gerade von einem Traktor abgeschleppt wird.

In Ajmer ankommend betrachte ich meine inzwischen sonderbar stechenden Zehen, die, feuerrot, an australisches Steack erinnern: halb gar.
Die Inder nehmen alles - wie immer - mit Gleichmut. ich bemühe mich, mich anzupassen.

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Im Vorbeigehen freue ich mich über das zerfurchte, dunkle Gesicht eines Rajasthanis. Ich kann nie schätzen, wie alt diese Menschen eigentlich sind. Jeder Ausdruck von Emotion hat sich in sein Gesicht eingegraben. Ich mag den Gedanken.

Nach einer halben Stunde Busfahrt Richtung Jaipur gibt der Motor den Geist auf. Wir stehen irgendwo im nirgendwo in der flirrenden Mittagshitze.

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4h später, Jaipur.
Ich laufe durch einen leichten Nieselregen, Seitenstraßen. Während ich fotografiere attackiert mich eine Hündin.

06.05.07

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Der Citypalace. Gewänder des Maharajhas, Teppiche, Waffen. Waffen in allen Variationen, fein verzierte Dolchgriffe aus Jade in den ehemaligen Gemächern der Rani. Lärmende indische Touristengruppen, deutsche Touristen. Ein ca 60jähriger Deutscher in einem Harry Potter T-Shirt. Ich flüchte.

2h später, Jantar Mantar

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Bizarre astronomische Gerätschaften in einer parkartigen Anlage. Ich werde von guides verfolgt und sprinte eines dieser Gebilde hinauf. Von oben betrachtet wirken die Sonnenuhren noch sonderbarer.

6h später

Ich treffe zwei Engländerinnen und einen Franzosen. Wir fahren zum Monkey Temple, wo sich eine Horde Affen um unsere Erdnüsse balgt. Lucky, unser Fahrer, singt und tanzt - soweit im Sitzen möglich - zu Shakira, die aus den Rickshawboxen dröhnt.

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Wir betrachten den Sonnenuntergang über dem Armenviertel.

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Der Franzose und ich fahren zum Amber Fort.
Nach einem schweisstreibenden Aufstieg die Belohnung: ein Blick über die weite Landschaft. Das Fort ist niemals eingenommen worden - aus gutem Grund. Der ehemalige Palastgraben ist fast ausgetrocknet, zahlreiche Elefanten laufen gemächlich durch die Anlage. Die reichverzierten Mauern lassen Bilder entstehen, wie es hier einmal ausgesehen haben könnte. Kunstvolle Wandmalereien und labyrinthische Gänge winden sich durch das Fort. Kleine Balkone geben den Blick über die Berge und umliegende Gebäude frei. Die Wände sind mit ungeschickten Kritzeleien übersät, Herzen umrahmen die Namen von Päarchen auf uralten Wänden, von denen der Putz bröckelt. Ich bin entsetzt.

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Ca 4h später sitze ich in einem Bus nach Delhi und werde mehrfach belästigt, bis ich meinen Nebenmann anschreie, der es an seiner Station sehr eilig hat auszusteigen und seine Reisetasche vergisst. Ca 6h später stehe ich an der Autobahn, ein Stückchen außerhalb der Stadt. Ca 20 Rickshawfahrer scharen sich um mich, aber antworten nicht auf meine Anfragen, reagieren nicht, schauen nur. Das Prepaid Office behauptet, es seien keine Taxis available. Ein Rickshawfahrer fragt mich, was mein Problem sei, warum ich mich so aufrege. Endlich findet sich ein Dummer, der bereit ist mich zu fahren, aber alle paar Sekunden anhält, um einen anderen zu überreden, womit er kein Glück hat. Wir irren durch die Straßen, der Fahrer spricht kein Wort Englisch und redet auf Hindi eindringlich auf mich ein.

Das Schöne an Indien : man kommt immer an. Irgendwann.

(heute nacht nach Haridwar)

Donnerstag, 3. Mai 2007

Pushkar

Die erste AC-Erkaeltung bricht durch. Die Inder fahren in die Berge. Unertraegliche Hitze.

Dienstag, 1. Mai 2007

Göttliche Zeichen

Gestern abend ist mein Pushkararmbändchen gerissen.
Letztes Jahr sagte mir der Priester, ich würde mit meinem Mann wiederkommen.
Das macht mir jetzt irgendwie Angst.

Montag, 30. April 2007

Delhi, Tag 1.2

In Frankfurt war noch alles gut; wir waren zwar im falschen Terminal und die Airlines konnten sich nicht recht einigen, zu welchem Schalter ich denn nun eigentlich gehen müsste und nach ewigem Rumgeirre ging mir das irgendwann tierisch auf die Nerven, aber irgendwie klappte eben doch alles. Lufthansa dann hatte aus irgendeinem Grund nicht vermerkt, dass ich Vegetarier bin, und somit musste ich mich mit einem dieser trockenen Flugzeugbrötchen und ein paar Salatschnipseln zufrieden geben. Den späteren Snack verschlief ich. Spätestens in Katar hatte ich wahnsinnigen Hunger, aber auch dort war nichts zu machen.

Ich stolpere müde durch glitzernde Dutyfreegeschäfte, schwarze Augen folgen mir auf Schritt und Tritt. Wie in Indien überwiegen männliche Reisende die weiblichen bei Weitem. Ich beobachte Paare: Männer in Hawaiihemden und Baggyhosen, Sonnebrillen und Gelfrisuren, neben ihnen Frauen, die sich als Gerspenster verkleiden. Schwarze Gewänder, die bis zum Fußboden reichen, unförmig, fast schwebend, jegliche Kontur verschleiert. Aus schmalen Sehschlitzen blicken mir riesige schwarze Augen entgegen, die sich gleich wieder zu Boden richten. Ich weiß unverzüglich, dass die arabischen Emirate, Saudiarabien und Katar von der allein-zu-bereisende-Länder-Liste gestrichen sind. Draußen sieht man fast nichts als Wüste, Staub und die Farbe gelb. Vereinzelt eine Palme. Auf dem Flughafen ist das Fotografieren verboten. Ich frage mich, warum.

Nachdem ich in den 5,5h in Doha beinahe, der Klimaanlage sei Dank, erfroren bin und mich ausreichend darüber geärgert hatte, dass man ohne Katarwährung bzw US Dollar nicht mal einen Kaffee bekam, dafür aber auch kein einziger Geldautomat funktionierte, ging es gegen halb zwölf endlich nach Delhi. Ich schlief sofort ein und erwachte exakt in dem Moment, als gerade alle anderen ihr Essen bekommen hatten und fröhlich vor sich hin schmatzten.

Als wir dann endlich landen, ist mir doch etwas wackelig zu Mute. Warum genau man einen Zettel mit allerlei persönlichen Daten ausfüllen muss, wenn man nach Indien einreist, obwohl diesen eigentlich niemand irgendwie zu beachten scheint, ist mir - genau wie beim letzten Mal - irgendwie unklar.

Eine halbe Stunde lang bin ich fest überzeugt, dass mein Rucksack verloren gegangen ist -bis dieser auf dem Förderband vor mir auftaucht. Ich kaufe einen Kaffee und indische Zigaretten. Der Verkäufer drückt mir eine kleine Rolle Pfefferminzbonbons in die Hand. Als ich ihn daraufhin fragend ansehe, zuckt er nur die Achseln und sagt, er habe "no change". Wäre ich nicht so müde, würde ich wesentlich lauter lachen.

Kaum bin ich draußen, schon werde ich von Taxifahrern belagert. Ich lasse mir Zeit, trinke Kaffee und freue mich über angenehmes Klima. Leider wird es nicht so bleiben, denn bedauerlicherweise ist es 6Uhr morgens. Wie immer gilt die Fahrer-Faustregel, wer mir sympathisch ist, versucht mich abzuzocken. So ist es dann auch.

Bei Eva angekommen gibt es Kaffee, wenn ich aufstehe, wird mir schwarz vor Augen. Draußen klingelts, hupts, schreits und lärmts und vorallem: stinkts wie eh und je. Gegen 12 ist die 40 Grad Marke erreicht, das Thermometer klettert bis auf 43 Grad.

Eine halbe Stunde Lajpat Nagar und wir fühlen uns, als hätten wir die Welt zu Fuß umrundet. Als bewegt sich verlangsamt, die Luft brennt beinahe auf der Haut und verwandelt mich in den Stereotypen des rotgesichtigen Europäers.

Abends sehen wir ein indisches Theaterstück. Die Klimaanlage bestätigt eine beginnende Erkältung. Der ständige Wechsel drinnen-draußen, 40Grad-10 Grad lässt mich mich erneut wundern, warum hier nicht ständig alle krank sind.

Eine traditionelle Alte wirft uns böse Blicke zu, weil wir rauchen.

Zu Hause angekommen kann ich bis halb vier nicht einschlafen. Die Wohung ist stickig und heiß und die Ventilatoren bewirken nichts als die minimale Zirkulation heißer Luft.

Ich bin immer noch nicht aufgeregt. Es ist wie nach Hause kommen.

Freitag, 22. Dezember 2006

Abschied



3 vor 12. ich sitze und rauche die guten, indischen Zigaretten, die weder Teer - noch Nikotinwerte angeben. In 4,5h geht es zum Flughafen und ich weiss noch nicht, ob sich schlafen lohnt. Es ist schwierig, in vollem Masse zu realisieren, dass 5 Monate vergangen sind, dass es heute Nacht zurueck geht. Genauer gesagt: es ist voellig unmoeglich.



Seit Tagen ist mein Kopf ganz ver-rueckt, so viele Eindruecke sind auf mich eingeprasselt und es war so wenig Zeit und Platz zur Verarbeitung, dass ich erahne, dass mich das alles erst in Deutschland einholen wird.



Ich war zwei Wochen in Delhi. Dann einen Monat in Bhopal. Dann 10 Tage unterwegs ueber Agra, Delhi, Ajmer, Pushkar, Indore. Wieder ein Monat Bhopal. Dann 2 Monate unterwegs. Mumbai. Anjuna. Palolem. Panjim. Hampi. Bangalore. Mysore. Kochi. Trivandrum. Kovalam. Pondicherry. Auroville. Chennai. So viele Eindruecke, soviele Gesichter. Soviel Elend. Soviel Laerm. Soviel Schmutz. Soviel Reichtum. Soviel Vielfalt. Dann wieder: Bhopal. Die Leute dort. Die Angestellten. Der Ort selbst. Und natuerlich "meine" ~ 140 Kinder, die mich auf die Plame brachten, manchmal beinahe zum Heulen, oefter zum Lachen, die mich verfolgt haben, wohin auch immer ich ging und mit denen und ohne die ich in Indien oft so schlecht sei konnte. Man fragt sich, was richtig, was falsch ist, und ob es das gibt. Was wirkliche Ungerechtigkeit, was wirkliche Armut bedeutet und woher "wir" unsere Arroganz nehmen, zu urteilen, was besser oder schlechter ist.



Umso mehr Zeit man in diesem Land verbringt, umso weniger scheint man zu verstehen. Zurueckdenkend wird mir trotz allem schwindelig, die Menge an dem bedenkend, was ich hier gelernt, erfahren habe. So fern scheint der Gedanke und somit auch der Tag meiner Anreise. Die Wahnsinnigkeit so ohne irgendetwas zu wissen in dieses unglaubliche Land zu reisen. Und doch wuerde ich es jederzeit wieder genau so machen. Ohne Vorbereitung, ohne Planung, ohne Erwartung.



Man sagt, es gaebe nur zwei Arten von Menschen: die, die Indien lieben, und die, die es hassen. Da ich bereits daran denke, zurueck zu kommen, nehme ich an, ich gehoere nicht ausdruecklich zur ersten Kategorie.

Samstag, 2. Dezember 2006

Over the moon

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Es hat sich doppelt und dreifach und fuenffach gelohnt, die Fahrt hierher. "Pondicherry ist ein toter Ort, du kannst ja danach hierher zurueck kommen, nach Kovalam" - und das sagte ausgerechnet ein Franzose zu mir (oder vielleicht gerade)! Dies hier ist ein kleines Frankreich in Indien - nein! Eine Fusion aus Frankreich und Indien; schoene, bunt angestrichene Haeuser mit kleinen Balkonen und Fensterlaeden, wie in einem Dorf in Suedfrankreich, gepaart mit dem ueblichen Verkehrslaerm, dem Geschrei, der typisch-indischen Aufregung. Aber zugleich ist alles etwas sanfter, etwas freundlicher, etwas ruhiger und etwas sauberer (doch ja, auch hier machen die Leute wie allerorts in Indien mitten auf die Strasse, wie ich heute und gestern schon mehrmals miterleben durfte, aber den positiven Gesamteindruck truebt das nicht im Geringsten). Es ist einfach - anders.

Doch first comes first, erstmal ein paar Bilder der letzten Tage aus Kovalam...

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Verwinkelte Gassen hinter der Hotel/Strandmeile

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Mein Strandstammplatz der letzten Woche, in meinem Kopf nun vermutlich auf ewig verknuepft mit Gespraechen wie : "Papaya, Mango..." "No thanks" "Pineapple, Banana..." "NO, thanks" "Coconut oil, madam" "NO! THANKS!" "fruit salad" "NO!!! NOTHING!!! THANKS!!!"

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Das Meer, vom Leuchtturm hinunter fotografiert.

Dann die bereits erwaehnte Bustortur, gestern dann nicht viel ausser Schlaf und Schwindelgefuehl. Heute morgen war ich mehr oder minder bereit zu neuen Taten und schlenderte nach dem Fruehstueck durch die sonnigen Gassen, vorbei an diesem Tempel, nur einige Strassen von meinem Hotel entfernt.





Seiltanzvorfuehrung, mitten auf der Hauptstrasse und mehr oder weniger voellig unbeachtet vom vorbei rasenden Verkehr.



"Typischer" Shop (Zigaretten, Kautabak, Suessigkeiten..)

Dann gings hinunter zur Meerespromenade. Karg, grobe Steine, viel Asphalt und ein wuetendes Meer nebst einem steinernen (?), gigantischen Ghandi.



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Schlafende Schuhputzer

Ich lief weiter zum Museum, vorbei an einem kleinen Park, wo der Akku meiner Kamera beschloss, den Geist aufzugeben. Gerademal 10min hatte ich mir die Ausstellungsstuecke im Museum angesehen (alte Muenzen, Goetterfiguren, Rickshaws aus grauer Vorzeit, die damals noch angeschoben wurden...), warf man mich zur Mittagspause raus. Da ich mich aber ohnehin nicht besonders gut fuehlte, kam mir das fast gelegen.

..Aber es gibt soviel zu sehen und zu tun, in dieser Stadt! Zeichenstunden, indischer Gesang, der botanische Garten! Was koennte frustrierender sein, als gerade genug Zeit zu haben, aber einfach nicht die Kraft?? Die Erkaeltung manifestiert sich nun in Form von heftigem Husten, endlos tropfender Nase und allgemeiner Schwaeche und ich versuche mich nicht zu aergern. Nunja.

Aber das Beste sollte noch kommen: ich war ja schon gespannt auf Auroville, wusste aber nicht recht, was ich mir wohl darunter vorstelle sollte. Auf dem Weg dorthin in der Rickshaw packte mich schon eine Art freudige Erwartung - es ging ueber Stock und Stein durch ein scheinbar endloses Gruen; vorbei an kleinen Doerfern, winkenden Kindern und laechelnden Frauen...



Kaum beim Visitor Center angekommen, war ich allerdings schon genervt von dem Massenansturm an, hauptsaechlich indischen, Touristen. Dank koerperlichem Schwaechegefuehl und der damit verbundenen, empfundenen Verwundbarkeit, war ich an das Gefuehl auf der Rueckbank des Busses erinnert, wollte nur allein diese sich durch den Wald windenen Sandpfade gehen und konnte nicht, weil laermende Gruppen sich an mir vorbei draengelten, sich zu mir setzten, wenn ich versuchte, sie vorbei gehen zu lassen, mir ueber die Schulter glotzten, wenn ich Tagebuch schrieb - wie Affen. oder bin ich der Affe im Zoo, fragte ich mich, die Zaehne zusammen beissend. Etwa 10min Fussmarsch waren das, dann erreichte ich die Hauptattraktion der Aussteigerkommune: Das Matrimandir.
Ein Gebaeude, das - so beschreibt es der Lonely Planet zurecht - tatsaechlich aussieht wie ein gigantischer, goldener Golfball. Betrachten konnte man es sich allerdings nur aus der Ferne und gezwungenermassen umringt von laermenden Touristengruppen, die, neben dem "Silence Please" Schild, mit ihrem Muell umsich warfen...



Etwas ernuechtert quatschte ich drei aeltere Damen neben mir an und fragte nebenher nach einem Hotel in Auroville. Das resultierte darin, dass ich doch noch bekam, was ich gewollt hatte: einen ruhigen Fussmarsch ueber diverse Waldwege, immer wieder jedoch ueberholt von Motorrad- und Fahrradfahrern. Und ich sah meine erste indische Schlange, gigantisch noch dazu, und erschreckte mich entsprechend, als diese, ca 10m entfernt von dem Punkt, an dem ich barfuss stand und Fotos machte, lautlos ueber den Weg glitt und im Dickicht verschwand.



Noch jemand, der mir im Wald begegnete...

Schliesslich fand ich das empfohlene Hotel, gut versteckt in ueppiger Vegetation, unheimlich huebsch und zauberhaft ruhig, mitten im Wald, so scheint es, und doch nicht weit weg von der "Zivilisation". Ich liess mir das Zimmer zeigen, das ausgerechnet fuer exakt eine Woche frei ist, sagte, ich ueberlege es mir und wuerde heute abend per Email meine Entscheidung mitteilen, und wusste doch schon, dass ich es nehmen wuerde.

Morgen ziehe ich fuer eine Woche nach Auroville, bekomme ein Fahrrad gestellt und habe hoffentlich die Ruhe, nach der ich mich seit 4 Monaten sehne (was nicht heissen soll, dass ich meinen Aufenthalt in Indien nicht ueber die Massen geniesse, wie aufgefallen sein sollte).



Strasse in Pondicherry in der Daemmerung

Dann gehts auch schon "heim", nach Bhopal - und ich kann mich wieder richtig darauf freuen! Denn nicht nur war ich lange unterwegs, nein, mir wird auch noch ein unerwartetes Geburtstagsgeschenk gemacht. Ich kann und will nicht naeher darauf eingehen, aber die unsagbare Erleichterung, die ich empfinde, und die mich laechelnd ins Heim zurueckkehren lassen wird, ist so praesent, dass mir jetzt erst auffaellt, wie gross die Belastung, die nun von mir abfaellt, tatsaechlich gewesen ist.

Nora reist

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